Leuchtturm am Cabo de São Vicente. Author: Felix König.

Am Rande des Kontinents

Nach einer ersten Nacht in einem maximal durchschnittlichen Hotel, immerhin mit Fahrstuhlmusik, wechselten wir die Behausung und kamen in der "Casa da Falfeira" unter. Etwas abgelegen (oberhalb des Stadtkerns), aber liebevoll eingerichtet. Uneingeschränkte Empfehlung, wenn ihr mal in Lagos unterwegs seid. Nach dem Einchecken ging's direkt zum Strand, um eine Kite-Schule zu  suchen.

Wir liefen durch den warmen, feinen Sand und kamen an einer Hütte vorbei, die schon bessere Zeiten gesehen hatte. "Lagos Kite Club" klärte ein Schuld auf. Vor der Hütte chillte ein braungebrannter Surfer-Typ im Liegestuhl und ließ es einfach mal gut sein. Wir tauschten kurz Blicke aus und waren uns ohne Worte einig: hier sind wir richtig. Kurzerhand unterbrachen wir seine Siesta, stellten uns vor und kamen ins Gespräch. Der Typ hieß 'Filipe' und sollte sich als unser Kite-Lehrer herausstellen. Er sprach Englisch mit unüberhörbar portugiesischem Akzent und war einfach unglaublich freundlich und liebenswert. Wir mochten ihn sofort und vereinbarten noch für den Nachmittag unsere erste Session.

Da wir noch ein paar Stunden Zeit hatten, bis der Unterricht beginnen sollte, fuhren wir erneut zum Praia do Camilo, der uns am Vortag so beeindruckt hatte.
Der Strand befindet sich inmitten spektakulärer Felsformationen und ist nur über eine lange Holztreppe zu erreichen. Bereits oben auf der Klippe hat man eine malerische Aussicht. Weil wir off-season unterwegs waren, hielten sich auch die Menschenmassen an diesem sonst häufig überfüllten Strand in Grenzen. Durch einen kleinen Gang im Felsen erreicht man ein zweites, kleineres Teilstück des Strandes. Wir hatten Glück, es herrschte Flut, und so empfingen uns brusthohe Wellen, die direkt am Strand brachen. Jetzt gab es kein Halten mehr. Wir freuten uns wie kleine Kinder und stürzten uns in die Wellen, ließen uns von ihnen herumwirbeln und an den Strand zurückwerfen. Wir hatten unglaublichen Spaß, der nur endete, weil es Zeit für unsere erste Kite-Lektion war. Danach ging es zur ersten Kite-Stunde mit Felipe, unserem Kite-Lehrer.

Bei unseren ersten Versuchen schlugen wir uns eher semi. Der Kite stürzte in den Kurven regelmäßig ab, was Felipe mit einem vorwurfsvollen Blick quittierte. Wasser haben wir nicht berührt, aber eine Menge über Kite, Bar, Leinen, Trapez und Safety Leash gelernt. Nach ca. zwei Stunden verabredeten wir für den nächsten Morgen die zweite Session.
Abends gönnten wir uns noch ein Essen und ein paar Mojitos im Zentrum von Lagos und machten uns dann leicht angeheitert zu Fuß zurück. Wir schlenderten am Yachthafen vorbei und bogen in die Straße ein, die zu unserer Unterkunft führte. Der Weg war dann doch länger, als wir dachten und die unbeleuchtete Straße zog sich gefühlt endlos den Hang hinauf. Mittlerweile war es stockfinster, einen Gehweg gab es nicht und die Autos rasten in teils halsbrecherischem Tempo an uns vorbei. Aber dafür wurden wir mit einem wunderschönen Blick auf den fantastischen Sternenhimmel belohnt. Ob uns der Himmel alkoholinduziert noch ein wenig schöner vorkam? Gut möglich…

Am nächsten Morgen versorgte uns die Gastgeberin mit einem wunderbaren Frühstück mit viel Obst. Genau das Richtige auf einen leichten Kater. Zum ersten Mal aßen wir hier auch eine traditionelle portugiesische Süßspeise, "Pasteis de Nata", die an ein nicht zu süßes warmes Puddingteilchen erinnert und von uns seither bei jeder Gelegenheit gekauft wird. Mega lecker.

Weil an diesem Tag leider wenig Wind wehte, wurde der Kite-Unterricht verschoben und wir entschlossen uns, an den südwestlichen Zipfel Europas, zum Cape Saint Vincent (Cabo de São Vicente. Look it up.) bei Sagres zu fahren. Sagres kannten wir bisher nur wegen des Bieres. Die Küste wird hier von steilen Klippen geformt und am Ende des Küstenplateus steht, eingebettet in eine alte Festungsanlage, ein Leuchtturm. Hier legten wir eine lange Pause ein und genossen die fantastische Aussicht und das Rauschen des Meeres. Beim Anblick der Wellen und des Ozeans spüren wir immer wieder, wie klein und unbedeutend man doch ist und wie wenig es braucht, um zufrieden zu sein. Es erdet uns jedes Mal aufs Neue, wunderbar befreiend.

So blickten wir eine ganze Weile auf den Horizont und hingen unseren Gedanken nach. Irgendwann durchbrach einer die Stille und es folgte ein intensives Gespräch über alles, was uns in diesem Moment emotional bewegte: Gegenwart und Zukunft, Erfahrungen und Lebensentwürfe, aber vor allem die Schönheit und Verletzlichkeit der Natur, und die tiefgreifenden Veränderungen, die durch den Menschen hervorgerufen werden.

Bereits während der Fahrten hatten wir uns lange zu diesen Themen ausgetauscht, wer nicht am Steuer saß recherchierte und unsere Zweifel an den Prinzipien unserer Wirtschaft wie exponentielles, endloses Wachstum, shareholder value, Geld oder Macht wurden immer größer.
Irgendwie sind wir alle in einem kranken System gefangen. Wir stressen uns jeden Tag, um noch mehr Geld zu verdienen, mit dem wir noch mehr Zeug kaufen, das uns nicht glücklich macht. Um Menschen zu beeindrucken, die wir vielleicht nicht einmal mögen. Und dabei beuten wir Mensch und Natur aus und blasen unaufhörlich Treibhausgase in die Atmosphäre, diese hauchdünne Schicht, die uns vor dem Weltall schützt. WTF? Was zur Hölle machen wir hier? Und wohin wollen wir? So stellten wir uns irgendwann die Frage, welchen Beitrag wir leisten können, um die Klimaproblematik in den Griff zu bekommen und das Schlimmste noch zu verhindern. Denn soviel ist sicher: wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Und jetzt, in diesem überwältigenden und demütig machenden Moment, an diesem fantastischen Ort, kamen wir beide auf den gleichen Gedanken: lass uns Shirts herstellen, die genau so sind, wie wir sie haben wollen – nur eben ohne den katastrophalen Impact, der von der Textilindustrie verursacht wird.

Und so begann die eigentliche Geschichte am Cabo de São Vicente in Portugal, am Rande des Kontinents...

 

Bildnachweis: Leuchtturm am Cabo de São Vicente. Author: Felix König. Unchanged. This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en

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